Wunsch und Wirklichkeit klaffen in dem Sinne oft auseinander, dass eben doch nicht jeder "ist", was er gerne "sei".
Menschen wären vielleicht gerne rational, klar denkend und aufgeklärt, machen sich dann aber doch Sorgen, wenn die schwarze Katze den Weg kreuzt, mampfen Zuckerkugeln in Form von "Globuli", lesen Horoskope, und sie befolgen unter anderem auch wiederkehrende Rituale wie dieses hier, anlässlich Silvester/Neujahr.
Das muss noch nicht zwingend mit Glauben in irgendeiner Form in Verbindung stehen. Aber es enspricht meines Erachtens einem ureigenen menschlichen Bedürfnis nach Spiritualität und wiederkehrenden Ritualen im Lebensalltag, die dem Leben Struktur verschaffen.
Eigentlich bin ich aber viel zu pessimistisch um es anzunehmen und die Grundprämisse hier zu schlucken, dass die Menschen heute so wahnsinnig aufgeklärt seien.
Wenn das der Fall wäre, dann wären Kirchenmitgliedszahlen kaum diskutierenswert, so etwas Bibel TV oder Astro TV gäbe es nicht einmal als Parodie und bei Leuten wie Trump und "Double-Bush" müsste man sich keine Gedanken machen, dass sie in die Verantwortung kämen, irgendwo den roten Knopf zu drücken.
Nach meiner Erfahrung sind zu viele, an sich in ihrem Lebensalltag durchaus funktionale, oft genug sogar gebildete Menschen in naturwissenschaftlichen, erkenntnistheoretischen und philosophischen Fragen so etwas wie funktionale Analphabeten und Legastheniker.
Solange diese halt einmal im Jahr ein paar Böller anzünden, haben wir kein Problem. Falls diese sich aber dazu berufen fühlten, einmal im Jahr ein paar Hexen und Ketzer anzuzünden, hätten wir genau die Fäkalmaße "am Dampfen", die das Leben noch vor wenigen Jahrhunderten etwas weniger gemütlich machte.
Aufklärung ist weiterhin nötig. Daran hat sich nichts geändert. Leute, die sich alljährlich zum Jahresende die Kante geben, Böller und Raketen zünden, sind offensichtlich nicht das Problem - aber sie können durchaus genau die tickenden Zeitbomben sein, die vielleicht an anderer Stelle dazu gebracht werden können, mit dem LKW auf den Weihnachtsmarkt zu fahren.
Die gefährlichsten Leute sind für mich eigentlich diejenigen, für die die Welt nicht nur im übertragenen Sinne voller Wunder ist, die sie sich nicht erklären können, für die selbst banale Dinge mit magischem Feenstaub bedeckt sind, denn "richtig falsch" ideologisch in die Mangel genommen, dürften sich gerade diese Leute für die absurdesten Dinge vor den Karren spannen lassen, und wenn man sieht, wie selbst Akademiker manchen Sekten verfallen können, dann zeigt das meines Erachtens auf, dass weder Intelligenz noch Bildung immer schützen können. Diesen Umstand fasse ich als Plädoyer auf, mindestens den an den Schulen vorherrschenden Wissenskanon zu überdenken, wenn nicht auch das gesamtgesellschaftliche Verhältnis zu Religion und Glauben fundamental zu überdenken.
Ich bin wirklich der Meinung, dass ein Großteil unserer Probleme in Deutschland gerade dadurch provoziert wird, dass wir der Religion und Glauben zu unbedarft und zu wenig wachsam gegenüberstehen, anstatt den Leuten mal auf die Finger zu schauen, und eine christlich beeinflusste Politik halte ich daran für nicht gerade unschuldig.