Das Christentum und seine Glaubenslehren hat jede Menge Schwachpunkte, das Theodizee-Problem aber ist dabei möglicherweise das größte philosophische Problem - und trotz 2.000 Jahren christlicher Theologie nach wie vor ohne befriedigende Lösung.
Legt man Christen die Problematik dar und gehen diese darauf ein, dann kommen Argumente, die man grob in Kategorien einteilen kann (wahrscheinlich unvollständig), die alle auf eine oder andere Weise problematisch und unbefriedigend sind:
- das gern benutzte argumentative Wundermittel "Freie Wille"; freilich greift diese Erklärung zu kurz, denn das Übel in der Welt ist ganz offensichtlich nicht nur menschengemacht, will man sich nicht in religiöse Wahnvorstellungen versteigen, die Krankheiten und Naturkatastrophen u.v.m. auf den Menschen zurückführen oder als Strafe Gottes bewerten
- das Argument, es sei alles nur eine Prüfung oder wir bräuchten das Schlechte um das Gute schätzen zu können, ist in höchstem Maße zynisch; mit dieser Logik könnte ich mich bei einem behinderten Menschen bedanken, dass mir durch ihn Gott zeigt, wie gut es mir geht, weil er ein lebendes Beispiel ist, wie sсheiße es einem gehen kann - Zynismus pur
- das Bagatellisieren des Leides der Menschen, nach dem Motto, das bisschen Elend hält man doch gerne aus, wenn es durch ewige Wonne im Paradies ausgeglichen wird; sorry, aber das finde ich ebenfalls zynisch und nicht mit einem liebenden Gott vereinbar; was Menschen an Leid auf diesem Planeten aushalten müssen, ist nur wahrlich keine Lapalie
Obwohl ich Gordon Geckos Argument noch nicht oft gehört habe, möchte ich es noch kurz demontieren, wenn es mir erlaubt ist:
"Desweiteren möchte ich sagen, dass wenn Gott unsere ganzen Probleme lösen würde, keiner mehr an ihn glauben würde."
Das ist schon mal Blödsinn, denn Gott müsste dazu nicht einmal in Erscheinung treten. Aber das spielt ohnehin keine große Rolle, da die zweite Hälfte des Argumentes ebenso unsinnig ist.
"Jeder würde wissen, dass es Gott gibt. Alle Menschen sind gutmütig, weil sie WISSEN, dass Gott existiert."
Wirf mal einen Blick in das Alte Testament. Dort gibt es jede Menge Leute, die mit Gott einen direkten Kontakt hatten - offensichtlich scheint Gott selbst kein Problem damit zu haben, dass Menschen um seine Existenz WISSEN anstatt nur an ihn zu glauben; Noah, der von Gott einen detaillierten Handwerkerplan verklickert bekam und Mose, der die von Gott persönlich (!) beschriebenen Steinplatten mit den 10 Geboten ausgehändigt bekam, seien als Beispiele angeführt.
Und trotz der im Vergleich zu heute geradezu verschwenderischen Anzahl von direkten Auftritten Gottes gab es zu Zeiten des AT durchaus Leute, die sich immer noch gottungefällig benommen haben - der Brudermörder Kain und Moses' Halbbruder Aaron der Stifter des Goldenen-Kalb-Kultes seien genannt. Nix da mit "alle Menschen sind gutmütig".
Doch zurück zur Frage.
Hat man es mit halbwegs mitdenkenden nicht-zynischen Christen zu tun, dann kommt man nach Aufzeigen der Schwächen z.B. im Freier-Wille-Argument fast unweigerlich an den Punkt, an dem das letzte Argument gebracht wird:
Man wisse es auch nicht ganz zu erklären, vertraue aber auf die Güte des Herrn usw. usf. - eine freundlich formulierte Variation des Gottes-Wege-sind-unergründlich-Themas.
Weiter oben habe ich geschrieben, dass das Antwortkategorien sind, die man von Christen bekommt, die man zu Antworten drängt, und dass es sich um ein ungelöstes philosophisches Problem handelt.
Das ist insofern relevant, als ich vielen Christen zugestehe, dass sie im Grunde nette, "ehrliche Häute" sind, die sich wahrscheinlich niemals bewusst für das Christentum entschieden und sich mit solchen Problemen befasst haben. Sie sind wohl eher, wie die meisten Christen, in die Religion hineingeboren worden, ihnen wurden die Glaubensinhalte einschließlich der axiomatischen Charaktereigenschaften Gottes schon im Kindesalter vermittelt (ich möchte nicht schon wieder das böse Wort "indoktriniert" benutzen) und in ihrem praktischen Christenleben (ich gehe von praktizierenden Christen aus, nicht von "Sonntagschristen") befassen sie sich, so meine persönliche Erfahrung (war ja selbst mal Christ), eher mit anderen Problemen.
Daher sind die meisten Argumente wenig durchdacht und aus der Not des Moments geborene, unausgegorene ad-hoc-Argumente, die dann oft logischerweise nach und nach fallengelassen werden, bis man sich auf eine unanfechtbare "Unergründlich"-Variante zurückzieht.
Ich will diesen Christen nicht absprechen, dass sie sich darüber nie Gedanken machen würden, aber da es eben keine -innerhalb der christlichen Prämissen akzeptable- Lösung gibt, lässt man das Thema meist fallen, vertraut "auf die Gütte des Herrn" und überlässt solch philosophische Knacknüsse den "gelehrten Theologen".
Was ich sagen will ist, dass sich die meisten Christen wohl einfach nicht mit dem Problem befassen oder es erfolgreich verdrängen, weil es immer andere Fragestellungen gibt,