1. Warum man Gott nicht sehen kann?
Genau das hat mich meine jüngste Tochter einmal im Alter von fünf Jahren auch gefragt und hat nach ganz kurzem Überlegen selber darauf geantwortet. Diese Antwort fand ich so bemerkenswert, daß ich sie Dir nicht vorenthalten möchte. Als ich noch überlegt habe, wie ich das einem fünfjährigen Kind erklären soll, sagte sie: „Ich weiß das!“ Ich: „Dann erklär DU mir das mal.“ Sie: „Gott ist doch überall, oder?“ Ich: „Ja, das stimmt.“ Sie: „Dann würde man doch, wenn man ihn sehen könnte, überall gegen ihn gegenstoßen!“ Diese Antwort war zweifellos kindlich, aber durchaus nicht naiv. Sie signalisiert Geborgenheit und Freiheit zugleich: Gott ist überall bei uns, umgibt uns mit seinem Schutz und Segen u.s.w., aber er sperrt uns nicht ein und läßt uns nicht „vor die Wand laufen,“ sondern öffnet Räume, in denen wir leben, atmen und uns frei entfalten sollen.
Zu dem Vergleich mit dem Bäcker und dem Brot:
Den Bäcker können wir sehen, weil wir Menschen sind wie er. Aber das Brot kann ihn nicht sehen. Eben weil es kein Mensch, sondern „nur“ ein Brot ist. Und so können wir unsererseits Gott nicht sehen, weil wir eben keine Götter, sondern „nur“ Menschen sind.
2. Zu Adam und Eva, den Neandertalern und den Dinosauriern:
Die Geschichte von Adam und Eva ist ungefähr 800 Jahre vor Jesus aufgeschrieben worden. Damals wußte man noch nichts über Tier- und Menschenarten, die schon längst ausgestorben waren und von denen ja auch wir heute nur durch Knochen und Fossilien wissen, die man in der Erde gefunden hat. Diese Forschungen gab es damals noch nicht. Und so hat auch der Erzähler der Adam-und-Eva-Geschichte die Entstehung des Lebens auf der Erde so beschrieben, wie es dem damaligen begrenzten Wissen entsprach und wie man es sich eben vorstellen konnte.
DASS Gott alles geschaffen hat, glauben die Christen (und Anhänger anderer Religionen) heute genauso wie der biblische Erzähler damals, und das läßt sich auch weder beweisen noch widerlegen. Aber WIE es abgelaufen ist, wissen wir heute natürlich besser, und das wird auch von den allermeisten Christen nicht bestritten.
3. Schon vor unendlich langer Zeit. Die urzeitlichen Menschen waren ganz und gar den Gewalten der Natur ausgeliefert, von der sie lebten, die sie aber zugleich auch immer wieder bedrohte. Als die Menschen aber lernten, zu denken und dabei auch über sich selbst nachzudenken, merkten sie, daß sie nicht nur ein Stück Natur, sondern auch geistige Wesen waren. Wesen, die Geist und Seele, Verstand und schöpferische Phantasie besaßen. Und so sahen und spürten sie auch in der Natur, die sie umgab, geistige Mächte, die hinter den sichtbaren Dingen standen und sie lenkten. Man sprach nun von Geistern und schließlich von Göttern, zu denen man durch religiöse Feiern, Rituale, Tänze, Opfer u.s.w. in Beziehung zu treten und sie gnädig zu stimmen versuchte. Das alles hat sich schon zu sehr alten Zeiten abgespielt.
Daraus sind die sogenannten Naturreligionen entstanden, d.h. diejenigen Religionen, die bestimmte Erscheinungen und Kräfte der Natur als Götter verehrten: Sonnengott, Meeresgott, Wettergott, Wachstums- und Fruchtbarkeitsgötter u.s.w.. Da man aber später, als die Menschen größere Staaten und Reiche gründeten, nicht nur von den Kräften der Natur, sondern zunehmend auch von politisch-gesellschaftlichen Mächten und Prozessen abhängig war, ergänzte man die Naturgötter durch Götter, die man hinter bestimmten gesellschaftlich-politischen Phänomenen sah: Gott des Krieges, Gott des Friedens, Gott des Handels u.s.w..
Mit der israelitischen Religion des Alten Testaments betrat ein völlig neuer Typus von Religion die Bühne der Weltgeschichte: nicht nur, daß sie nicht mehr an viele, sondern an einen einzigen Gott glaubte, sondern dieser Gott war nicht mehr aus den Erscheinungen der Natur ablesbar, sondern die Menschen fühlten sich von ihm angesprochen und gerufen. Ein Gott, der seinerseits Kontakt zu den Menschen sucht und in eine Ich-Du-Beziehung bzw. Ich-Ihr-Beziehung eintritt. Dafür ist ungefähr der Zeitraum um 1500 v.Chr. anzusetzen.
4. Weil kein Mensch allwissend ist und unterschiedliche Menschen viele Dinge unterschiedlich sehen. Die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam glauben an denselben Gott und meinen denselben Gott. Sie alle glauben, daß Gott durch bestimmte auserwählte Menschen zu ihnen gesprochen hat. Die Unterschiede und Gegensätze zwischen ihnen sind zu einem guten Teil darauf zurückzuführen, daß jede dieser drei Religionen einen anderen dieser Menschen für den wichtigsten Boten, Sprecher und Offenbarer Gottes hält: das Judentum Mose, das Christentum Jesus und der Islam Mohammed. Außerdem führen sich alle drei monotheistischen Religionen auf denselben Vorfahren, nämlich auf Abraham, zurück.
Der Glaube an denselben Gott und die Rückführung auf denselben Vorfahren machen diese drei Religionen zu Bruder-Religionen. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb? - haben sie sich im Laufe der Geschichte gegenseitig heftig bekämpft. Hast Du mehrere Kinder? Dann wird Dein Kind, von dem Du in dieser Frage schreibst, aus eigener Erfahrung einiges zum Thema Geschwister-Rivalität sagen können ...
Auch die Religionen, die an mehrere Götter glauben, haben interessanterweise eine Tendenz zum Monotheismus, zumindest ihre gebildeten Vertreter. Die verschiedenen Götter ihrer Religionen sind für sie letztlich nur verschiedene Erscheinungsformen ein und desselben einen Gottes.
5. Meine Antwort an Dein Kind:
Viele deshalb, weil sie Angst haben, daß, wenn sich auch nur eine einzige Kleinigkeit in der Bibel als unzutreffend erwiese, die ganze Bibel und damit zugleich ihr ganzer Glaube wie ein Kartenhaus in sich zusammenbräche; oder wie ein umkippender Domino-Stein alle einen nach dem anderen mit sich risse. Sie können in der Bibel nicht unterscheiden
- zwischen wörtlich und bildhaft-symbolisch gemeinten Texten,
- zwischen zeitlos gültigen Aussagen und zeitbedingten Bildern und Vorstellungen,
- zwischen berichteten historischen Ereignissen und den Deutungen, die die biblischen Verfasser ihnen gegeben haben;
- zwischen historisch zutreffenden Berichten und erfundenen Geschichten (z.B. die 10 ägyptischen Plagen oder der israelitische Eroberungskrieg und Völkermord im Buch Josua, bei denen man doch eigentlich froh sein sollte, daß sie in Wahrheit gar nicht stattgefunden haben!).
Wenn Religion und Glaube zu Kriegen führen, dann liegt das meistens nicht an den Religionen selbst, sondern daran, daß machtgierige Menschen sie als Knüppel mißbrauchen, den sie anderen über den Schädel hauen, oder mit denen sie ihnen Angst einjagen wollen, um sie in ihrer Seele zu beherrschen. Im Sinne Gottes ist das nicht!
6. Eine kleine Korrektur vorweg: nicht Abraham, sondern Mose hat im 2.Buch Mose den brennenden Busch gesehen. Zu Deiner eigentlichen Frage:
Ja, Buschbrände hat es in der heißen Steppe öfter gegeben. Was die Stimme Gottes betrifft: die hat Mose nicht mit seinen Ohren laut aus dem brennenden Busch gehört, sondern er hat sie beim Anblick des brennenden Busches in seinem Inneren, in seinen Gedanken, in seinem Herzen wahrgenommen. Gott hat den Busch also nicht angezündet (für den Brand als solchen wird es eine ganz natürliche Ursache gegeben haben), sondern er hat den Anblick dieses Brandes dazu benutzt, Mose in seinem Inneren anzusprechen.
Eine daran anschließende Frage, die Du jetzt nicht ausdrücklich gestellt hast, die Dein Kind aber, wenn es die Geschichte genau gelesen hat, sicherlich gestellt hat: „Der brennende Busch soll angeblich nicht ver-brannt sein? Das kann doch wohl nicht sein!“
Meine Antwort: natürlich ver-brennt alles, was brennt. Auch ein brennender Busch. Aber wenn jemand etwas ganz intensiv erlebt, sagt man ja: „Die Zeit steht für ihn still.“ Natürlich steht die Zeit nicht wirklich still, aber es kommt einem so vor. Vielleicht hat auch das Erlebnis des Mose, äußerlich betrachtet und objektiv gemessen, nur wenige Sekunden lang gedauert, und in einem so kurzen Moment verbrennt von dem Busch natürlich so gut wie nichts. Nicht so viel, daß man sehen könnte, daß etwas weg ist. Wenn Moses Erlebnis aber so intensiv war, daß es ihm viel länger vorkam, mag es ihm auch so vorgekommen sein, daß der Busch überhaupt nicht verbrennt.