Es gibt ganz offensichtlich eine große Zahl von Menschen, die unabhängig voneinander zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten Nahtoderlebnisse hatten. In diesen Berichten tauchen immer wieder dieselben Elemente und Bilder auf. Sie sind als solche offenbar nicht Produkte bestimmter religiöser Vorstellungen, denn sie gleichen sich auch bei Menschen ganz unterschiedlicher religiöser oder nicht-religiöser Überzeugung. Allerdings werden sie von ihnen je nach religiöser Prägung unterschiedlich gedeutet. Zum Beispiel das Licht, das in vielen dieser Berichte auftaucht: Christen sagen, sie hätten darin Christus erkannt, für Moslems war es Mohammed, und Atheisten sprechen eben einfach von einem Licht, das sie gesehen haben.
Die Frage, was diese Erlebnisse zu bedeuten oder nicht zu bedeuten haben, läßt sich nicht statistisch (Nahtoderfahrungen bei vier Prozent der Wiederbelebten) beantworten:
1. Die Zahl der Wiederbelebten ist ihrerseits gegenüber der Gesamtzahl aller Gestorbenen winzig klein. Wie viele von denen, die gestorben sind und NICHT wiederbelebt wurden, in ihrem Sterben Nahtoderlebnisse hatten, wissen wir nicht, denn wir können sie ja nicht mehr befragen. Daher wissen wir auch nicht, ob bei ihnen möglicherweise ganz andere Prozentzahlen gelten (was natürlich in beide Richtungen - Pro und Contra - gleichermaßen gilt).
2. Statistik bezieht sich auf objektiv Meßbares und Zählbares. Die Häufigkeit, mit der ein Phänomen vorkommt, sagt jedoch nichts darüber aus, ob darin Überirdisch-Jenseitiges sichtbar wird oder nicht.
Auch biochemisch läßt sich die Frage nicht erschöpfend beantworten. Die DMT-Ausschüttungen, von denen medizinische Untersuchungen berichten, könnten die Ursache der Nahtoderlebnisse sein - sie könnten aber auch die meßbare Reaktion des menschlichen Körpers auf eine Wahrnehmung überirdisch-jenseitiger Realitäten jenseits alles Meßbaren sein, die der Sterbende hat. Also die noch dem Diesseits zugewandte Seite einer diesseitig-jenseitigen Grenzerfahrung. Denkbar ist beides.
In wie weit die Nahtoderlebnisse der „klinisch Toten“ wirklich mit denen der Testpersonen bei medizinischen Versuchen vergleichbar sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Ebenso scheint es eine offene Frage zu sein, ob und in welchem Maße die Labor-Situation bei diesen Versuchen der realen Situation eines sterbenden Menschen wirklich entspricht:
1. Bei den genannten Testpersonen fehlt beispielsweise das subjektive Gefühl, zu sterben.
2. Die Menschen, die von Nahtoderlebnissen berichten, betonen immer wieder, daß sich das, was sie gesehen hätten, im Grunde genommen überhaupt nicht beschreiben lasse; das heißt: ihre Berichte - und nur sie können Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sein - geben nur sehr bedingt wider, was diese Menschen wirklich erlebt haben.
3. Für diese Andersartigkeit des Erlebten spricht auch, daß die Nahtoderlebnisse die wiederbelebten „klinisch Toten“ für ihr weiteres Leben oft tief und nachhaltig beeinflussen und ihre Einstellung zum Leben und zum Tod verändern; das ist bei den Testpersonen der medizinischen Versuche nicht der Fall.
Andererseits sind kritische Rückfragen an den Begriff „klinisch tot“ zu stellen. Möglicherweise waren in den für tot Erklärten doch noch Lebensfunktionen „in Betrieb,“ die mit der verfügbaren medizinischen Meßtechnik nur nicht zu erfassen waren.
In den Berichten der Wiederbelebten selbst ist immer wieder von einer Grenze die Rede, auf die sie zugegangen seien, die offenbar die Scheidelinie zwischen dem diesseitigen und dem jenseitigen Leben darstelle; aber sie seien, kurz bevor sie diese Grenze erreicht hätten, wieder zurückgezogen worden, um in das irdische Leben zurückzukehren. Das heißt: keiner von ihnen hat diese Grenze überschritten bzw. ist von jenseits dieser Grenze zurückgekehrt. Das scheint dafür zu sprechen, daß das, was diese Menschen erlebt haben, noch nicht das Jenseits, sondern äußerste Bereiche des diesseitigen Lebens sind, die unserem normalen Alltagsbewußtsein verschlossen sind. Es zeigt schlaglichtartig, daß die Wirklichkeit mit Sicherheit umfassender ist als das, was wir mir unseren Sinnen wahrnehmen und mit unserem Verstand begreifen können.
Du schreibst, daß diese Phänomene oft maßlos aufgebauscht und religiös überhöht würden. Das kann in der Tat leicht passieren, wenn man in ihnen „Beweise“ für das jenseitige Leben sieht. Ich glaube als Christ an die Auferweckung der Toten, aber dieser Glaube speist sich aus anderen Quellen. Die Nahtoderlebnisse liegen für mich auch dann, wenn sie Realitäten widerspiegeln und keine bloßen Halluzinationen sind, im Vorfeld dessen, was ich glaube. In diesem Sinne wären sie bemerkenswerte Hinweise und Illustrationen. Aber sie sind nicht der tragende Grund meines Auferstehungsglaubens und keine Beweise.
@Der Tubalkain mit dem Löwengriff: Computerprogramme haben kein Bewußtsein und wirken auch nicht verändernd oder gestaltend auf die Hardware des Computers ein; insofern „hinkt“ Dein Vergleich. Körper und Seele des Menschen bilden eine Einheit und beeinflussen sich gegenseitig; allerdings ist unser Bewußtsein und letztlich auch das „Programm“ unserer körperlichen Existenz nicht an deren Träger-Materie (die „Hardware“ gewissermaßen) als solche gebunden; ihre Moleküle werden ja im übrigen schon unser ganzes Leben lang durch den Stoffwechsel laufend ausgetauscht. Dementsprechend hieße auch Auferstehung in einem letzten und endgültigen Sinne: Übertragung unseres Bewußtseins, unseres Ich, unserer „Seele“ auf einen anderen und ganz andersartigen „Träger“ (so wie man ein Computerprogramm von einem Rechner auf einen anderen überspielen kann) - der Apostel Paulus spricht im 1.Korintherbrief von einem „Auferstehungsleib.“ Allerdings kann das die menschliche „Seele“ nicht aus sich heraus - hierin liegt für mich der Fehler der Vorstellung von einer „unsterblichen Seele“ - sondern Auferweckung bedeutet nach christlichem Verständnis Verwandlung und Neuschöpfung durch Gott.